Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
278 Ein Mann trat herzu und entleerte eine Schale mit flüssiger But- ter über ihrem Kopf. Das Fett floss über ihre Wangen und be- schmierte das ganze Kleid. „Dieses Gericht habe ich bewusst auf heute verlegt, damit du dir alles einmal anschauen kannst. Du sollst sehen, wie wir das Böse von uns fernhalten“, protzte Konrad Amslin. Auf einer Tafel über der angeketteten Frau stand: „Gewicht ge- fälscht“. „Siehst du, die rechts hat ihre Gewichtssteine angefeilt und wurde vom Eichmeister erwischt. Und die links hat überall herumgeschwatzt und Verleumdungen unter das Volk gestreut.“ „Darf ich mal eine Frage stellen?“ „Aber sicher.“ „Denkst du, dass die gegenseitige Achtung durch diese Art Stra- fen zunehmen oder abnehmen wird, wenn sie sich hernach wie- der im normalen Alltag begegnen?“ Konrad wurde ganz verlegen: „Also, in gewissen Fällen haben sie sich gehasst bis zum bitteren Ende.“ „Geht bei dir das Leben hoch oder runter, wenn du diese Dinge einmal an der Kraft des Lebens aus Gott bemisst?“ „Oh … und wie es runtergeht …!“ Schnell trat Konrad in die Mitte. „Hört auf damit, es ist genug! Wir wollen diese Frauen ja nicht gerade töten. Bedenket alle, schon Morgen könntet vielleicht ihr in diesem Käfig sein.“ Verlegen meinte er: „Wir werden gele- gentlich noch einmal über diese Strafen sprechen.“ Konrad musste schlucken. Jetzt hatte er doch Arnold so viel Gu- tes in seiner Stadt zeigen wollen, doch ein übers andere Mal musste er erkennen, dass da noch einiges zu verbessern war. Im Weitergehen kamen ihnen Betrunkene entgegen. Einer rief: „Hallo, Koni! Da drüben gibt’s Freiwein.“ „Freiwein? Von wem denn?“ „Wir kennen den Mann nicht, aber schon seit Stunden spendiert er uns allen Wein, so viel wir nur wollen.“
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