Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
274 Sie kniete vor einem kleinen Feuer und zelebrierte mit Knochen und allerlei Gegenständen Beschwörungsformeln. Die andere Frau war jung und gepflegt. Erwartungsvoll blickte sie die Wahrsagerin an. „Ein jeder in Freiheit sein Geld verdienen?“ Arnold trat zu den beiden hin und hörte zu, wie die Zauberin der jungen Frau prophezeite:„Du wirst noch vier Kinder haben und fünfundfünfzig Jahre alt werden. In zwei Jahren wird dein Haus niederbrennen, und deine ältesten Söhne werden vom Krieg nicht mehr zurückkehren.“ Beschwörend liess sie ihre Hände über dem Feuer kreisen. Die junge Frau war ganz erschrocken: „Aber ich habe ja gar keine Kinder!“ „Ich sage dir ja, du wirst noch vier bekommen.“ „Was, und zwei Söhne werden im Krieg umkommen, mein Haus wird abbrennen …“ Sie brach in Tränen aus. „Hm … Ein jeder darf in Freiheit sein Geld verdienen, aber nur auf Kosten der Nächsten!“ Winkelried schüttelte den Kopf. „Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Konrad leicht verlegen. „Spürtest du bei ihren Worten Frieden oder eher Beklemmung?“ „Ja, schon eher Beklemmung.“ „Warum hast du sie als Statthalter dann nicht zur Rechenschaft gezogen und geschult?“ „Geschult? – Worin?“ „Du wolltest mir doch zeigen, wie ihr dieses Leben pflegt, von dem ich immer spreche. – Na los, dieser Frau wurde soeben vor deiner Nase das Leben genommen.“ „Aber was hast du denn, sie lebt ja noch? Schau doch, da sitzt sie!“ „Ja, sie lebt, aber weniger als noch vor zehn Minuten, weil die- ser frei verdienende Lügengeist sie ungehindert ihrer inneren Freiheit beraubt hat.“ „Ist denn das so schlimm? Das tun doch heute alle!“ „Diese Frau bist doch du!“
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