Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
262 die befohlene Apfelpause gönnen.“ Arnold warf seiner Frau einen schelmischen Blick zu. Anneli lächelte. „Da musste ich mithören, wie ein Zöllner – er heisst Klaus – ungerecht mit einer armen Frau und einem alten Mann umging und sie schamlos ausnahm. Ich sehe die Begebenheit wieder ge- nau vor mir. ‚Das Gesetz sagt, einen viertel Gulden, aber du stiehlst mir und meinen Kindern das letzte Brot weg. Sag, wovon sollen wir noch leben?’ Genauso lauteten ihre Worte. Der Zöllner sagte darauf nur: ‚Ja, ja, die Sprüche kennen wir al- le.’ Tiefer Schmerz erfüllte mich bei diesen Worten, und ich betete zu Gott, Er möge durch mich diesem Unrecht begegnen. Da sah ich, wie die Frau eine Kette von ihrem Hals riss. ‚Es ist mein letztes Andenken an meinen Vater. Bevor er starb, drückte er sie in meine Hand. Gib mir wenigstens ein paar Gul- den Rückgeld’, beschwor sie den Zöllner Hände ringend. ‚Bin ich denn eine Wechselstube?’ ‚Was seid ihr für abscheuliche Barbaren! Grausame Tiere! Reis- sende Wölfe!’ Die Frau nahm ihre beiden Kinder an der Hand und passierte die Schranke. Nach ihr kam ein älterer Mann an die Zollschranke. Ich stand auf und hörte still zu. ‚Zwei Gulden.’ ‚Dann reicht’s mir nicht mehr zum Essen.’ ‚Dann begib dich künftig nicht mehr auf so lange Reisen, Alter!’ Der Mann hob seinen Stock in die Höhe und rief erbost: ,Wenn ich noch lebe und wenn wir in diesem Land zur Oberhand ge- kommen sind, dann werde ich dir die Hosen strammziehen, du Räuber!‘ Bedrückt ging er davon. Jetzt konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich trat vor die Zollschranke. Der Zöllner verlangte von mir wie immer zwei Gulden. Da stieg Gottes Geist in mir hoch
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