Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

252 Sie nickte. Mit traurigem Blick schaute sie zu ihm auf, eine dicke Träne rollte ihr dabei über die Wange. Schnell drückte sie ihr Haupt wieder an seine Brust. Sie roch den herben Geruch seiner Lederweste. Ach, wenn er nur da bliebe! Könnte sie doch aus- drücken, wie ein inneres Gefühl sie bewegte und mahnte, ihren Mann heute nicht weggehen zu lassen! Er nahm ihr Gesicht fest zwischen seine Hände und zwang sie da- mit sanft, ihn anzuschauen. „Ist doch nicht so schlimm, Anneli. Die Tagsatzung geht doch nur einen Tag.“ Sanft kraulte sie seinen Bart und streifte ihm mit ihren Fingern leicht durchs Kopfhaar. Er erwiderte ihre Liebeserweise mit zärt- lichen Küssen – auf die Stirne, auf die Wangen, auf den Mund. „Papa?“ Ruthli zupfte an Arnolds Hosenbein. Der Vater bückte sich und hob die Kleine auf seinen Schoss: „Ja, mein Liebling?“ Wie hübsch sie doch aussah mit ihren zu zwei Schnecken aufgesteckten Zöpfchen und ihren Schleifen im Haar! Mit grossen, fragenden Augen schaute sie zu ihrem Papa auf. „Spricht die Mama nur mit dir? „Nein, sie spricht doch zu uns allen.“ Ruthlis Stirn runzelte sich. „Zu mir hat sie aber noch nie gespro- chen.“ „Doch, sie hat schon oft zu dir gesprochen. Du musst das nur richtig verstehen.“ „Ich verstehe das einfach nicht.“ Ihr feines Stimmchen klang bei- nahe verzweifelt. „Weisst du, Ruthli …“ Arnold streichelte seinem Töchterchen liebevoll durch das Haar. „… die Mama spricht mit den Augen. Ihr Blick hat mir vorhin wieder mehr als tausend Worte gesagt.“ „Ja, verstehe. Dann sagt sie uns aber oft, dass sie sehr traurig ist.“ „Nicht nur traurig. Weisst du, sie braucht uns einfach.“ Ruthli schlang ihre Ärmchen fest um seinen Hals: „Ich brauch dich auch, Papa! Bitte, bitte, bleib nicht lange weg!“

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