Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

251 Doch an diesem Morgen konnte sich Anneli nicht so recht er- wärmen. Arnold würde heute wieder länger fort sein, einen ganzen Tag lang! Oh, wie waren ihr diese Landtage leid! Er würde ihnen wieder fehlen. Aber zutiefst wusste sie, dass es Arnolds Berufung war. Der Landtag brauchte gerade Männer wie ihn – einen Mann, der das Volk anleitete, wieder auf die feinen Impulse des Friedens zu achten. Doch – musste er wirklich jeden Landtag dabei sein? Anneli fröstelte. Unwillkürlich zog sie ihren roten Umhang noch enger an sich, als könnte sie sich darin bergen. Sie betrachtete ihre Kinderschar. Wie jeden Morgen gingen alle treu ihren Aufgaben nach. Die grossen Mädchen räumten die Küche auf, Arthur hatte Holz vom Schuppen geholt und stapelte es neben der Feuerstelle auf. Ruthli und Bethli, die zwei Mädels, waren gerade mit Tischputzen und Bodenwischen fertig gewor- den. Jetzt fingen sie an, miteinander Ringelreihen zu spielen. Anneli richtete ihr Spinnrad ein. Wenn Arnold weg war, wollte sie die Zeit nutzen, um den Flachs für den Markt fertig zu spinnen. Sie waren heute beizeiten aufgestanden und hatten zusammen ge- frühstückt, so wie sie es jeden Landtag zu tun pflegten. Sie wollten den Tag, wie gewohnt, als ganze Familie beginnen. Nach dem Essen wurde gemeinsam für Vaters Reise gebetet, und dann zog sich Arnold zum persönlichen Gebet und zur Vorbereitung zurück. Anneli blickte zu ihrem Mann hinüber, der im hinteren Teil des Wohngemaches auf dem Boden kniete. Er würde bald aufbre- chen müssen. Mit unwiderstehlicher Gewalt fühlte sie sich zu ihm hingezogen. „Danke, dass Du mich fortan als Deinen Leib leben wirst. Amen!“ Sie näherte sich von hinten dem Betenden, schlang ihre Arme um ihn und drückte ihn so fest, als wollte sie ihn nie mehr los- lassen. Er nahm ihre Hand, stand auf und nahm sie herzlich in seine Arme: „Ist es, weil ich bald weggehen muss, Anneli?“

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