Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

163 Arnold betrat die Kirche und kniete sich in eine der Bänke nie- der. Die Kälte der Steine kroch durch seine Kutte. Er faltete die Hände und stimmte in das Chorgebet der Mönche ein. Arnold schloss die Augen. So wenig er an die Dinge glauben konnte, die er betete, beruhigten sie ihn doch. Sie brachten seine Seele zur Ruhe. Morgens bei der Laudes konnte er vergessen und sich ganz auf die Psalme konzentrieren. Wie jeden Tag begannen sie mit Psalm 50. Es folgten zwei wei- tere Psalmen, eine Lesung und die Litanei. „Sondern erlöse uns von dem Bösen, in Ewigkeit. Amen!“, hallte es zum Abschluss durch die Kirche. So viel Erlösung wie ihr bräuchtet, kann euch selbst Gott nicht schenken, fuhr es Arnold durch den Kopf. Arnold verliess die Kirche. Ungesehen entschwand er durch die kleine Pforte und ging zum Turm. Dort stand er eine Weile still, seine Augen hingen an der Mauer. Er kam oft hierher und starrte zu dem Gefängnis seiner Anneli empor. So konnte er ihr wenigstens etwas näher sein. „Anneli, nur noch kurze Zeit und ich bin bei dir.“ Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut, als er fortfuhr: „Ich hole dich da raus. Das verspreche ich dir!“ Kurz verharrte er dort, an die Felsen gelehnt. Er musste wieder ins Kloster. Den Vormittag sollte er mit dem Abschreiben heili- ger Schriften im Skriptorium verbringen. Quae dicunt facite, quae autem faciunt facere nolite. - Was sie sagen, das tut; was sie aber tun, das tut nicht. Arnold starrte auf den Satz, den er soeben aus der Regula Bene- dicti kopiert hatte. Einen Augenblick lang schwebte der Griffel über dem Pergament. Ein Tropfen Tinte rollte den Kiel herunter und hinterliess einen blauen Fleck auf dem Dokument. Arnold stiess einen leisen Fluch aus. Hastig griff er nach dem Messer,

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