Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

160 Die Mühsal des Kopierens war vermutlich das, was Arnold an der Arbeit Freude machte. Es ging um Genauigkeit. Keinen Feh- ler durfte er sich bei den Abschriften erlauben. Eine Geduldsar- beit, die ihn die eigene Ungeduld, was sein Schicksal anging, vergessen liess. Die Arbeit wurde nur zu den Gottesdiensten unterbrochen, und schliesslich war es so weit. Die Sexta kündigte sich an. In Gegenwart aller Mönche standen sieben der Novizen im Ora- torium nebeneinander. Nicholas war der Einzige, der fehlte. Arnold vermisste seinen Freund. Dennoch hatte er ihm nicht gewünscht, in diesem Kloster Mönch zu werden. Der Abt sollte die Versammlung leiten, doch er war auf Reisen. So übernahm Pater Waldes die Rolle des geistlichen Vaters. Er stand vor dem Oratorium , im Rücken die Mönche, vor sich seine Schüler. In den Händen hielt er ein Pergament, auf dem die Regula Benedicti verzeichnet war. Seine Stimme hallte laut in den Gewölben der Basilika wieder, als er die Anweisungen des heiligen Benedikts den Novizen vorlas. Schon oft hatten sie die Regula im Unterricht gelesen und be- sprochen. Nach ihr sollte sich das gesamte Leben des Ordens richten. Die Realität sah ganz anders aus. Doch das war ihnen allen bewusst. Den einen machte deshalb der Eintritt in die Ordensgemein- schaft wenig zu schaffen, die anderen versetzte es in Kummer oder wie Noldi in Wut. Die Lesung zog sich in die Länge. Die Regula enthielt zwölf aus- führliche Ordnungspunkte, und so kam es Noldi wie eine Ewig- keit vor, bis Waldes endlich endete und fragte: „Geliebte Schüler im Herrn, habt ihr euch eure Entscheidung reiflich überlegt und versprecht ihr, alles zu beachten und euch an alles zu halten, was euch aufgetragen wird?“ „Wir versprechen“, erklang es im Chor.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTY5NDM=