Krieg in Gerechtigkeit - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

Sohnschaft 239 sen noch voller Mängel und eigenwilliger Schlagseiten wa- ren, mussten sie noch unter ständiger Bevormundung „kurz gehalten“ werden. Ein Sohn, der im Orient herangereift war, war darum einer, der in allem seinem Vater ähnlich war. Mit seiner Mündig- keit hing weit mehr zusammen, als dies bei uns Europäern heutzutage der Fall ist. Ein wesentlicher Unterschied zwi- schen einem Knecht und einem Sohn war nämlich der, dass der Sohn „im Hause blieb“, der Knecht dagegen nicht (Joh. 8,35) 1 . Der Sohn trat direkt an die Stelle des Vaters, nicht aber, um den Vater zu verdrängen, sondern um den Willen und sämtliche Aktivitäten seines Vaters zu vervoll- ständigen. Der Sohn trat in allen Stücken in die Fussstapfen des Vaters und übte nun „selbständig“ auf allen Ebenen des Lebens den vollkommenen Willen des Vaters aus. Jahrelang wurde der Sohn dazu herangebildet, nicht selten unter speziell dazu erwählten Zuchtmeistern und, wo es sein musste, auch unter Rutenschlägen. In dieser Vorbereitung wurde ihm unter häufigem Ächzen und Stöhnen, unter Klagen und Weinen der Vaterwille eingeschärft und eingebläut. Durch diesen Prozess der Erziehung schliff sich aber allmählich das Vater- wesen Stück um Stück in den Sohn ein. Mit der Zeit dachte der Sohn genau gleich wie sein Vater, handelte wie sein Vater und fühlte wie sein Vater. Sein ganzes Benehmen, sein gesamtes Beurteilen, Empfinden und Argumentieren, ja sogar seine Charakterzüge und Eigenschaften wurden allmäh- lich in das Vaterbild umgeprägt. Darum heisst es in alten Schriften, dass der Tod eines Vaters nur einen begrenzten 1 „Der Sklave aber bleibt nicht für immer im Haus, der Sohn bleibt für immer.“

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